Im Rahmen des Doppelhaushalts 2023/2024 wurde die Stadtverwaltung beauftragt, den Bedarf für ein queeres Jugendzentrum zu prüfen. Am 10.03.2025 nahm der Kinder- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) den Abschlussbericht des Forschungsprojekts zur Kenntnis.
Kinder- und Jugendhilfeausschuss
Sitzungen des Kinder‑ und Jugendhilfeausschusses (KJHA), in denen die Belange junger Menschen aus der Regenbogen‑Community behandelt wurden.
1. Ausgangslage
Im Rahmen eines Fraktionsantrages der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN zum Doppelhaushalt 2023/2024 wurde die Verwaltung beauftragt, die Bedarfslage eines queeren Jugendzentrums in Freiburg festzustellen.
Ziele des Vorhabens sind konkrete Erkenntnisgewinne über die Bedarfslage junger Freiburger*innen sowie von Akteur*innen und Vereinen mit Blick auf ein potenzielles queeres Jugendzentrum und die Entwicklung eines Konzeptes für die Umsetzung eines queeren Jugendzentrums unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten aus anderen Städten sowie die Darstellung von Handlungsempfehlungen. Die Evangelische Hochschule Freiburg wurde von der Stadtverwaltung mit dem Forschungsprojekt beauftragt und führte dieses zwischen dem 15.02.2024 und 15.11.2024 durch.
2. Forschungsprojekt
Die Evangelische Hochschule Freiburg (EH) initiierte in Zusammenarbeit mit dem Amt für Kinder, Jugend und Familie (AKI) zunächst einen runden Tisch, um mit den verschiedenen Akteur*innen und Vereinen in Austausch zu kommen. Aus den Teilnehmenden des Runden Tisches wurde eine Begleitgruppe eingerichtet (Vertretungen: AKI, EH, Tritta* – Verein für feministische Jugendarbeit e.V., FLUSS e.V.) Neben der Erhebung der Bedarfslage junger Freiburger*innen wurden als ergänzende Grundlagen für die Konzeptentwicklung Erfahrungswerte und Beispiele aus anderen vergleichbar großen Städten recherchiert und der Begleitgruppe als Zwischenbericht präsentiert. Gerade in Bezug auf den Kern des Projekts, die quantitative Online-Umfrage, lässt sich sagen, dass die Zielgruppe definitiv erreicht werden konnte und die Ergebnisse als sehr aussagekräftig eingeordnet werden können.
3. Ergebnisse
An der quantitativen Erhebung haben – nach Bereinigung des Datensatzes – insgesamt 811 Personen teilgenommen. Davon entfallen 567 Antworten auf den Fragebogen für 14 – 21-jährige, 244 Antworten auf den Fragebogen für über 21-jährige und 31 Antworten auf den Fragebogen für Eltern. Bei der Bereinigung wurden insgesamt 31 Datensätze gelöscht (vgl. Ziffer 9.1.2 der Anlage zur Drucksache KJHA-25/004). Die Altersverteilung im Sample des Fragebogens für 14 – 21-jährige ist sehr gemischt und somit als gut zu bewerten.
Die zentrale Frage der Untersuchung wird von den Befragten eindeutig beantwortet: Die Idee eines queeren Jugendzentrums für Freiburg stößt bei den Befragten auf große Zustimmung. Nahezu alle Befragten geben an, (mindestens eher) für ein queeres Jugendzentrum zu sein und lediglich unter 5 % lehnen die Idee ganz bzw. eher ab (Altersgruppe unter 21 Jahren). Die befragten Jugendlichen plädieren dafür, dass ein queeres Jugendzentrum in der Freiburger Innenstadt, bzw. in Nähe des Freiburger Hauptbahnhofs – und damit gut mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichbar – liegen sollte. Da Ängste vor Gewalt und Übergriffen bestehen, soll ein Sicherheitskonzept für das queere Jugendzentrum auch den Hin- und Rückweg für die Besucher*innen mitbedenken.
Ein queeres Jugendzentrum wird von den Befragten dabei auch als Safe Space konzipiert, an dem sie keine Diskriminierung erleben, an dem sie sie selbst sein können und Gemeinschaft und Zugehörigkeit erleben können. Außerdem stellen sie sich ein queeres Jugendzentrum als Ort vor, an dem sie andere queere Jugendliche kennenlernen, sich austauschen und vernetzen können. In Bezug auf die bestehenden Angebote erhoffen sich die Befragten von einem queeren Jugendzentrum eine Entlastung und bessere Kooperationsmöglichkeiten, die zu einer Bündelung der Angebote führen könnte. Ein queeres Jugendzentrum hat in den Augen der Befragten auch einen hohen symbolischen Wert.
Im Idealfall sollte ein queeres Jugendzentrum sowohl einen Offenen Treff wie auch verschiedene Gruppen- und Beratungsangebote bieten. Darüber hinaus soll ein queeres Jugendzentrum Eltern informieren und durch Kooperation und weiterverweisen die Gesundheitsversorgung queerer Jugendlicher und die Lage queerer Jugendlicher an den Schulen verbessern. Außerdem soll es eng mit den bestehenden Einrichtungen der queeren Community zusammenarbeiten und diese dadurch bündeln und entlasten – beispielsweise durch die Bereitstellung von Räumen, Finanzmitteln oder organisatorischer Hilfe. Die Umfrage zeigt einen hohen Bedarf der Zielgruppe an zusätzlichen Angeboten, wie Freizeit- und Beratungsangeboten, aber auch Veranstaltungen und Gruppenangeboten und Möglichkeiten, andere junge queere Menschen kennenzulernen. Ein queeres Jugendzentrum sollte nach Meinung der Befragten über verschiedene, von den Nutzer*innen selbstgestaltbare Räume verfügen. Diese müssen zwingend barrierefrei und inklusiv gestaltet sein.
4. Ausblick
Die Ergebnisse werden durch die Evangelische Hochschule im Kinder- und Jugendhilfeausschuss präsentiert und diskutiert, im Anschluss wird die Studie veröffentlicht.
Im Rahmen des Freizeitstättenbedarfsplanes wurde bereits der Bedarf für eine Vollzeitstelle für die Arbeit mit Les-Bi-Schwul-Trans-Jugendlichen (LSBTIQ*) festgestellt und mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 vom Gemeinderat beschlossen. Der damit verbundene Personalkostenzuschuss wurde im Rahmen eines Interessensbekundungsverfahrens an das Jugendhilfswerk Freiburg vergeben. Ziel dabei ist die Etablierung eines ergänzenden, jedoch konzeptionell aufeinander abgestimmten, hauptamtlichen Angebotes für junge queere Menschen in Freiburg bis 21 Jahren. Die Vollzeitstelle ist auf zwei Fachkräfte unterschiedlichen Geschlechts aufgeteilt, um den verschiedenen Bedarfen gerecht zu werden. Die bestehenden Angebote des Trägers sollen dadurch für alle Jugendlichen weiterentwickelt und durch Formate im Sinne von queeren Safe Spaces ergänzt werden sowie Anlauf- und Beratungsstelle für queere Jugendliche im Sinne der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sein. Die Angebote sind nicht exklusiv, sondern werden in die bestehenden Formate integriert. Zentraler Bestandteil ist die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachstellen und Akteur*innen in Freiburg. Die ersten Erfahrungen sind durchaus positiv und unterstreichen den Nutzen der neu entwickelten Safe Spaces, auch als Zugang zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Die Verwaltung hat im Rahmen des Doppelhaushaltes 2025/2026 weitere Mittel (je 50.000,00 € pro Jahr) eingestellt. Diese sollen für den Konzeptionsprozess verwendet werden. Klar ist, dass eine Realisierung eines queeren Jugendzentrums dauerhaft Mittel in deutlich höherem Umfang benötigen würde. Die Verwaltung wird daher dem Gemeinderat zum Doppelhaushalt 2027/2028 einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten. Diskutiert werden muss, ob und in welcher Größe ein neues Jugendzentrum gegründet wird (durchschnittliche Betriebskosten: ca. 250.000,00 € pro Jahr zzgl. Einrichtungs- und ggf. Baukosten), ob ein bestehendes Jugendzentrum in ein queeres Jugendzentrum umgewandelt wird, ob ein queeres Angebot an ein bestehendes Jugendzentrum angegliedert wird oder ob aufgrund fehlender Ressourcen auf ein entsprechendes Angebot verzichtet werden muss.
1. Einleitung
Der Auftrag
Im Auftrag des Amts für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Freiburg hat unser Forschungsteam – bestehend aus Prof.in Dr.in Nina Wehner (Projektleitung) und Dr. des. Annika Spahn (Projektkoordination) und den Wissenschaftlichen Hilfskräften Judith Brodbeck, Leo Dejaeger und Bente Schulte Westenberg – an der Evangelischen Hochschule Freiburg untersucht, ob in Freiburg Bedarf für ein queeres Jugendzentrum besteht und wie ein solches Zentrum inhaltlich und strukturell gestaltet sein könnte.
Hintergrund und Problemstellung
Die Forschungslage zeigt, dass queere Jugendliche, besonders während ihres Coming Outs in einer belastenden Lebenssituation sind, die sich durch niedriges Wohlbefinden und niedrige Resilienz auszeichnet (Frohn et al. 2023; Oldemeier 2018). Im Alltag erleben sie häufig Diskriminierung (Oldemeier 2018) – und auch ihre Freizeit ist durch Angst vor Ablehnung und Diskriminierungserfahrungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) belastet (Krell und Oldemeier 2018). Queere Jugendliche gelten damit als hochbelastete Gruppe, die besondere Unterstützungsbedarfe hat. Hierzu gehört die Teilhabe an Angeboten der OKJA ohne das Erleben von Diskriminierung und Bedarf an Angeboten und Räumen, in denen sie andere queere Jugendliche kennenlernen und sich austauschen können.
Über das Forschungsprojekt
Zentrales Ziel unseres Forschungsprojekts war es, die Perspektiven queerer Jugendlicher und junger Erwachsener in Freiburg sichtbar zu machen und sie direkt nach ihren Bedarfen und Einschätzungen zu befragen. Hierzu haben wir neben den jugendlichen Zielgruppen auch Expert*innen, insbesondere Fachkräfte aus der queeren OKJA in Freiburg, einbezogen.
Das Projekt widmete sich unter anderem der Frage, welche Angebote in Freiburg für queere Jugendliche und junge Erwachsene bereits bestehen, ob ein queeres Jugendzentrum als Ergänzung sinnvoll wäre und wie ein solches Zentrum aus Sicht der Betroffenen gestaltet werden sollte. Für diese Untersuchung haben wir zwei zentrale Erhebungen durchgeführt: Erstens eine Online-Umfrage mit 811 Teilnehmenden, und zweitens sieben Gruppendiskussionen, davon fünf mit queeren Jugendlichen, um die Umfrageergebnisse zu vertiefen.
Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Empfehlungen in diesem Bericht zur Konzeption eines potenziellen queeren Jugendzentrums in Freiburg.
Über diesen Bericht
Dieser Bericht fasst die Ergebnisse unserer Forschung zusammen. In Kapitel 2 finden Sie zunächst eine Übersicht über die zentralen Ergebnisse. Kapitel 3 beschreibt das Forschungsprojekt im Detail und stellt die Forschungsfragen, die Methodik sowie das Forschungsdesign vor. Kapitel 4 erläutert die verschiedenen Meilensteine des Projekts.
Kapitel 5 bietet Erklärungen zu wichtigen Begriffen und Identitäten, die in diesem Bericht erwähnt werden, wie etwa nicht-binär oder aromantisch. Kapitel 6 skizziert den aktuellen Forschungsstand: Hier wird die bestehende Literatur zur Lebenssituation queerer Jugendlicher, zu ihrem Freizeitverhalten sowie zur queersensiblen OKJA und bestehenden queeren Jugendzentren vorgestellt.
Kapitel 7 dokumentiert unsere Ergebnisse zur queersensiblen OKJA in Freiburg, gefolgt von Kapitel 8 mit einer Analyse bestehender queerer Jugendzentren in Deutschland. Kapitel 9 beschreibt detailliert unser Forschungsdesign für die Umfrage und die Gruppendiskussionen sowie die erreichte Zielgruppe. Kapitel 10 stellt die Ergebnisse unserer Forschung vor, darunter die Lebenssituation queerer Jugendlicher in Freiburg, ihre Erfahrungen in der Freiburger OKJA und ihre Wünsche für ein mögliches queeres Jugendzentrum.
Kapitel 11 präsentiert unsere Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen auf Grundlage der Forschungsergebnisse. Im Anhang finden Sie das Literaturverzeichnis, den Fragebogen der Online-Umfrage und einen Transkriptionsindex, damit die Ausschnitte aus den Gruppendiskussionen besser verständlich werden.
2. Ergebnisse auf einen Blick
- In Freiburg gibt es elf unterschiedlich professionalisierte Angebote, die sich explizit an queere Jugendliche und junge Erwachsene richten. Diese werden unterschiedlich stark nachgefragt, einige von ihnen operieren allerdings an der Kapazitätsgrenze und haben mit knappen (finanziellen) Ressourcen zu kämpfen. Außerdem gibt es vier weitere Angebote, die Teil der allgemeinen Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind, aber zu einem signifikanten Teil von queeren Jugendlichen besucht werden.
- An unserer Online-Umfrage haben insgesamt 811 Personen teilgenommen. An den demographischen Daten zeigt sich, dass wir die intendierte Zielgruppe, d. h. queere Jugendliche und junge Erwachsene aus Freiburg und Umgebung, erreicht haben. Es zeigt sich eine diverse Zusammensetzung, bspw. in Bezug auf die verwendeten Label für Geschlecht, sexuelle und romantische Orientierung, unter den Teilnehmer*innen. Trans, inter*, nicht-binäre, sowie questioning Jugendliche wurden in einem hohen Maße erreicht. Dagegen sind bspw. Haupt-, Real- und Werkrealschüler*innen in unserem Sample unterrepräsentiert. Ein hoher Anteil der Befragten ist chronisch krank, behindert, hat eine soziale Angststörung und/oder neurodivergent, so dass Barrierefreiheit und Inklusion zentrale Themen in unserem Bericht sind.
- Unsere Umfrage zeigt, dass Selbstfindungs- und Coming Out Prozesse im Alter von 21 Jahren häufig noch nicht abgeschlossen sind. Daher haben auch queere Personen über 21 Jahren einen hohen Bedarf an Unterstützung. Sie äußern in unseren Daten die Angst, für ein Queeres Jugendzentrum zu alt zu sein. Die Über-21-Jährigen plädieren in unserer Umfrage daher auch mit 80,3%iger Zustimmung für die Einrichtung eines allgemeinen Queeren Zentrums in Freiburg.
- Die Befragten beschreiben Freiburg als eine offene, tolerante und liberale Stadt, in der sie sich grundsätzlich wohlfühlen. Dennoch beschreiben sie eindrücklich Erfahrungen von Gewalt und Diskriminierung, besonders im öffentlichen Raum und im Schulalltag. Ein großer Teil (69,5%) der befragten queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat bereits Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen bzw. romantischen Orientierung erlebt. Die Lebenssituation junger queerer Personen in Freiburg wird maßgeblich davon beeinflusst, inwiefern ihre Eltern sie unterstützen, inwiefern sie in der Schule vor Diskriminierung und Gewalt geschützt werden und inwiefern sie Zugang zu Transitionsmaßnahmen haben.
- Von den befragten queeren Personen zwischen 14 und 21 Jahren besuchen 19% regelmäßig Angebote der OKJA. Die OKJA wird teilweise als offener und positiver Raum beschrieben (so haben 43,2% der Befragten dort positive Erfahrungen gemacht) – die Jugendlichen erzählen aber auch von queerfeindliche Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen (19%), wie Misgendering und Mobbing bzw. der Angst davor. Diese bewirken in einigen Fällen, dass die queeren Jugendlichen der allgemeinen OKJA fernbleiben. Teilweise fehlen den befragten Jugendlichen auch passende Angebote in ihrer Nähe, so dass sie nicht an der OKJA partizipieren.
- 21,1% der Befragten gibt an, keine queere Jugendgruppe bzw. kein queeres OKJA-Angebot zu kennen, woraus wir folgern, dass die Bekanntheit dieser Angebote verbessert werden sollte. Diejenigen, die Angebote der queeren OKJA besuchen, nennen als große Vorteile die Informationsweitergabe (bspw. zu Transition), den Austausch mit anderen queeren Jugendlichen, sowie die Unterstützung, die sie dort erleben. Die queere OKJA hat eine große Bedeutung für die Selbstfindung und die Entwicklung eines positiven Selbstbilds für die Befragten.
- Die befragten Jugendlichen sprechen sich eindeutig für ein queeres Jugendzentrum für Freiburg aus: 89,5% sind (eher) für ein queeres Jugendzentrum und nur 3,6 % lehnen die Idee ganz bzw. 1,7% eher ab. Ein Queeres Jugendzentrum wird von den Befragten als Safe Space konzipiert, an dem sie keine Diskriminierung erleben, an dem sie sie selbst sein können und an dem sie Gemeinschaft und Zugehörigkeit erleben können. Außerdem stellen sie sich ein Queeres Jugendzentrum als Ort vor, an dem sie andere queere Jugendliche kennenlernen und sich austauschen und vernetzen können. Ein Queeres Jugendzentrum könnte außerdem eine zentrale Anlaufstelle sein, sowie ein sicherer und kostenloser Aufenthaltsort in der Stadt. In Bezug auf die bestehenden Angebote erhoffen sich die Befragten von einem Queeren Jugendzentrum eine Entlastung und bessere Kooperationsmöglichkeiten, die zu einer Bündelung der Angebote führen könnte. Ein Queeres Jugendzentrum hat in den Augen der Befragten auch einen hohen symbolischen Wert. Gegen ein Queeres Jugendzentrum spricht aus Sicht der Befragten, dass sexuelle, romantische und geschlechtliche Vielfalt auch in regulären Jugendzentren thematisiert werden sollte. Sie befürchten außerdem Hass und Gewalt gegen die Besucher*innen eines Queeren Jugendzentrums.
- Die befragten Jugendlichen plädieren dafür, dass ein Queeres Jugendzentrum in der Freiburger Innenstadt, bzw. in Nähe des Freiburger Hauptbahnhofs – und damit gut mit dem ÖPNV erreichbar – liegen sollte. Da sie große Angst vor Gewalt haben, soll ein Sicherheitskonzept für das Queere Jugendzentrum auch den Hin- und Rückweg für die Besucher*innen mitbedenken.
- Ein Queeres Jugendzentrum soll nach Meinung der Befragten über verschiedene, von den Nutzer*innen selbstgestaltbare, Räume, verfügen. Diese müssen zwingend barrierefrei und inklusiv gestaltet sein. Es gibt keinen Konsens über konkrete Zugangsbeschränkungen in einem solchen Zentrum, allerdings sind sich die Befragten einig, dass diskriminierende Personen keinen Zugang zu einem Queeren Jugendzentrum haben sollten und dass die Mitarbeiter*innen sie vor Gewalt schützen sollen.
- Im Idealfall soll ein Queeres Jugendzentrum sowohl einen Offenen Treff wie auch verschiedene Gruppen- und Beratungsangebote bieten. Darüber hinaus soll ein Queeres Jugendzentrum Eltern informieren und durch Kooperation und Weiterverweisen die Gesundheitsversorgung queerer Jugendlicher und die Lage queerer Jugendlicher an den Schulen verbessern. Außerdem soll es eng mit den bestehenden Einrichtungen der queeren Community zusammenarbeiten und diese dadurch bündeln und entlasten – beispielsweise durch die Bereitstellung von Räumen, Finanzmitteln oder organisatorischer Hilfe. Unsere Umfrage zeigt einen hohen Bedarf der Zielgruppe an zusätzlichen Angeboten, wie Freizeit- und Beratungsangebote, aber auch Veranstaltungen und Gruppenangebote und an Möglichkeiten, andere junge queere Menschen kennenzulernen.
11. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Hoher Bedarf für ein Queeres Jugendzentrum
Das zentrale Ergebnis unserer Studie ist: Queere Jugendliche und junge Erwachsene in Freiburg haben einen hohen Bedarf an mehr Angeboten im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, bei dem sie in ihrer Selbstfindung, Entwicklung eines positiven Selbstbilds, bei der Bewältigung ihres Coming Outs (z. B. bei den Eltern) und dem Erleben von Diskriminierung und Gewalt, z. B. im öffentlichen Raum und in der Schule unterstützt werden. Sie sprechen sich eindeutig für die Einrichtung eines Queeren Jugendzentrums in Freiburg aus. Dieses wird von ihnen als Safe Space, als zentrale Anlaufstelle, als sicherer Aufenthaltsort und als wichtiges Symbol im Stadtbild konzipiert. Allerdings befürchten die Befragten Hass und Gewalt gegenüber Besucher*innen eines solchen Queeren Jugendzentrums, weswegen ein Sicherheitskonzept und wohl überlegte Zugangsbeschränkungen zentraler Bestandteil der Ausgestaltung sein muss.
Erleben und Nutzen der (queeren) OKJA
In Freiburg gibt es bereits unterschiedliche Angebote explizit für queere Jugendliche; diese werden auch gut angenommen und besucht. Die befragten Jugendlichen berichten, wie wohl sie sich in den queeren Jugendgruppen fühlen und wie viel ihnen der Besuch dieser Gruppen bedeutet. Dort erhalten sie Informationen, beispielsweise über Transitionsmaßnahmen und genießen den Austausch mit anderen queeren Jugendlichen.
Allerdings sind die existierenden Angebote aus Sicht der Jugendlichen nicht ausreichend. So fehlen für Gruppen wie asexuelle, aromantische und inter* Jugendliche Angebote. Außerdem beschreiben sie Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen in der allgemeinen OKJA. Diese führen auch dazu, dass queere Jugendliche der allgemeinen OKJA fernbleiben. Vorrangig aber fehlt ihnen ein offener, sicherer, kostenloser Aufenthaltsraum in der Stadt, in dem sie Freund*innen finden und treffen können, frei von Diskriminierung und Gewalt sind und sie selbst sein können (z. B. im Hinblick auf verwendete Namen und Pronomen). Diese Schutzraum-Funktion können die Jugendzentren, die es in Freiburg gibt, so nicht leisten.
Fehlende Angebote
Unsere Umfrage zeigt einen hohen Bedarf der Zielgruppe an zusätzlichen Angeboten, wie Freizeit- und Beratungsangeboten, aber auch Veranstaltungen und Gruppenangeboten und an Möglichkeiten, andere junge queere Menschen kennenzulernen. Die Befragten wünschen sich ein Queeres Jugendzentrum, indem sie die Räume selbst gestalten können und das klassische Angebote eines Jugendzentrums, wie eine Küche, Spiele und Aktivitäten, Sofas und Informationsmaterialien, bereithält.
Bedarfe queerer junger Erwachsener
Unsere Studie zeigt aber auch: Die Selbstfindung und das Coming Out queerer Personen ist mit dem 21. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen. Auch queere junge Erwachsene über 21 Jahren haben Bedarf an Unterstützung und Angeboten, wie Beratung und Veranstaltungen. Sie äußern die Angst, für ein Queeres Jugendzentrum zu alt zu sein. Die Über-21-Jährigen plädieren in unserer Umfrage daher auch mit 80,3%iger Zustimmung für die Einrichtung eines allgemeinen Queeren Zentrums in Freiburg. Eine Möglichkeit wäre also, in Freiburg ein Queeres Zentrum einzurichten, das einen eigenen Jugendbereich hat.
Ausgestaltung eines Queeren Jugendzentrums
Die demographischen Angaben der Teilnehmer*innen an unserer Online-Umfrage und die ausgefüllten Freitextfelder zeigen außerdem deutlich: Die Zielgruppe ist in einem hohen Maße von Behinderung, chronischen und psychischen Erkrankungen sowie Neurodivergenz betroffen. Die Ausgestaltung eines queeren Jugendzentrums muss also ganz besonders auf Inklusion, Zugänglichkeit und Barrierefreiheit in einem weiten Verständnis achtgeben.
Bedarfe der Träger*innen der aktuellen Angebote
Unsere Erhebung zeigt auch: Viele der aktuellen Angebote der queeren OKJA operieren an der Belastungsgrenze. Sie verfügen nicht über ausreichende Finanzmittel oder passende Räumlichkeiten, sind auf (teilweise selbstausbeuterisches) Ehrenamt angewiesen und können den Bedarf an Beratung und Weitervermittlung an professionalisierte Stellen (wie die stationäre Jugendhilfe oder psychiatrische Einrichtungen) kaum leisten. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts wurde außerdem deutlich, dass der Ausbau der queeren Jugendarbeit und der Aufbau eines eventuellen Queeren Jugendzentrums nicht ohne die Einbeziehung der Fachkräfte und Organisationen der aktuellen queeren OKJA funktionieren kann oder geschehen sollte. Sowohl die befragten Jugendlichen als auch die Fachkräfte erhoffen sich von einem queeren Jugendzentrum die Bündelung und organisatorische Unterstützung – und damit die Entlastung – der bestehenden Angebote.
1. Ausgangslage
Im Freizeitstättenbedarfsplan wurde die Notwendigkeit einer Vollzeitstelle für die Arbeit mit Les-Bi-Schwul-Trans-Jugendlichen (LSBTIQ*) festgehalten. Dieser Bedarf wurde in der Drucksache G-22/130.2 am 09.05.2023 vom Gemeinderat bestätigt und beschlossen. Das Amt für Kinder, Jugend und Familie (AKI) wurde beauftragt, ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen.
Mit der Interessenbekundung sollten die Träger eine Konzeption zur konkreten Umsetzung vorlegen. Als zentrales Element wurde die geplante Umsetzung im Rahmen der hauptamtlichen Strukturen, unter Einbeziehung der lokalen Akteur*innen und einschlägigen Jugendgruppen, benannt. Als Ziel wurde die Etablierung eines ergänzenden, jedoch konzeptionell aufeinander abgestimmten, hauptamtlichen Angebotes, dass von Fachkräften durchgeführt wird, für junge queere Menschen in Freiburg (bis 21 Jahren) aufgeführt.
1.1 Interessenbekundungsverfahren
Das Amt für Kinder, Jugend und Familie hat am 27.10.2023 ein entsprechendes Verfahren eröffnet. Angeschrieben wurden alle anerkannten freien Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA).
Über die beschriebenen Ziele hinaus wurden folgende Auswahlkriterien benannt:
- Erfahrungen in der OKJA, Bezug zur Zielgruppe und spezifische Kenntnisse über deren Lebenslagen und Freizeitsituationen
- räumliche Voraussetzungen in einer Einrichtung der OKJA, in denen die konzeptionelle Einbindung des Angebotes umsetzbar ist
- notwendige Ressourcen für eine adäquate finanzielle und personalwirtschaftliche Steuerung der Stelle
- fachliche und pädagogische Voraussetzungen für eine inhaltliche Begleitung und Weiterentwicklung der Angebote
- Mitarbeit in den bestehenden Kooperationen und Vernetzungen der OKJA in Freiburg Weiterhin wurde benannt, dass die Vollzeitstelle auf zwei Fachkräfte unterschiedlichen Geschlechts verteilt werden sollte.
1.2 Auswertung des Interessenbekundungsverfahrens
Eingegangen sind vier Bewerbungen. Nach eingehender Prüfung der Interessenbekundungen auf Grundlage der oben genannten Kriterien und Ziele waren alle Träger grundsätzlich geeignet. Das Jugendhilfswerk Freiburg e. V. (JHW) hat die höchste Punktzahl erreicht und ist damit der Träger der Vollzeitstelle für Les-Bi-Schwul-Trans-Jugendliche (LSBTIQ*) geworden.
2. Aktuelle Situation
Personelle Besetzung
Das Finden von hauptamtlichem Personal aus den queeren Communities hat sich zuerst als schwierig erwiesen. Im Herbst 2024 konnte die Stelle besetzt werden.
Seit 2025 wird die Stelle von drei hauptamtlichen Fachkräften besetzt. Alle Mitarbeitenden der Jugendarbeit haben sogenannte “Mixed-Stellen”. Sie haben Stellenanteile in der Offenen Jugendarbeit und Stellenanteile in der Einzelfallhilfe (Erziehungsbeistandschaften, Hilfen für junge Volljährige) und daher viel Erfahrung mit Jugendlichen, kennen identitäre Entwicklungsthemen Jugendlicher und sind weiter erfahren in Krisen- und Akutsituationen, mit Kinderschutz und psychischen Auffälligkeiten sowie mit dem jeweiligen Umgang vertraut. Da sich im Queer*Space häufig Einzelbedarfe ergeben, ist die hauptamtliche Besetzung hier optimal. Es geht um Klarheit, psychologische Sicherheit, einen zuverlässigen Rahmen und gleichzeitig um Beziehungs- und Vertrauensarbeit.
Angebote
Von Beginn an hat das JHW mit einer festen Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der queeren Community (beispielsweise von der Bunten Jugend) gearbeitet und das eingereichte Konzept weiterentwickelt. Die Gruppentreffen fanden ab Februar 2024 ca. ein- bis zweimal im Monat immer dienstags statt. Gemeinsam mit dieser diversen Gruppe wurde über neun Monate konstant am Konzept gearbeitet. Die Entscheidung hierfür haben die Jugendlichen getroffen, die Motivation ergab sich durch die Idee, für Freiburger Jugendliche ein schlüssiges, inklusives Konzept mitentwickeln zu können und hier eigene Erfahrungen und queere Perspektiven miteinzubringen. Zwei der Jugendlichen waren selbst Jugendleiter*innen der Bunten Jugend und konnten so eigene Anleitungserfahrung mitbringen.
Diese jungen Menschen haben sich aktiv beratend und begleitend zu den Angeboten, Räumen, den Werbematerialien, der Haltung und den Begrifflichkeiten eingebracht.
Neben diesem Prozess wurden verschiedene Formate (Treff, Event, Freizeit, themenorientiertes Angebot) ausprobiert, um herauszufinden, mit welchem festen Angebot gestartet werden soll.
So gab es in 2024
- 9 Gruppentreffen mit queeren Jugendlichen zur Angebotsentwicklung
- 5 Einzeltreffen mit queeren Jugendlichen aus der Gruppe
- weitere 6 Einzeltreffen mit queeren Jugendlichen aus anderen Angebotsbereichen im JHW (Beratungsstelle, Offene Treffs, Hilfen zur Erziehung, hier Erziehungsbeistandschaft), um mehr (queere und jugendliche) Stimmen einzuholen
- 10 Aktionen, zu denen explizit queere Jugendliche angesprochen wurden (Rollschuhdisko, Klettersteig, Krimi-Dinner, Christopher Street Day (CSD)-Vorbereitung mit der Bunten Jugend, Sommerfest, Sommerparty, M*PowerTage, Halloweenparty)
- 2 Freizeiten (Sommerfreizeit in Geradmer und Hütte im Herbst)
Alle Jugendlichen wurden zu Räumen, Angeboten, Werbung, Interessen, Bedarfen und Notwendigkeiten befragt. Die Ergebnisse wurden festgehalten und mit in die konkrete Umsetzung einbezogen.
Seit dem Frühjahr 2025 gibt es neben dem bereits etablierten Mädchen*Space den Jungen*Space (gestartet am 18.3.2025, dienstags) und den Queer*Space (Start 17.3.2025, montags). Diese Angebote werden als safer spaces verstanden, ebenso wie alle anderen Angebote in der Jugendarbeit im JHW. Sie stellen sichere Orte und Räume dar, sodass alle Jugendlichen sich wohl fühlen (können). Die Spaces sind doppelt hauptamtlich besetzt. Dies ermöglicht jederzeit die Begleitung Einzelner, was häufig genutzt wird. Die Pädagog*innen tragen die Verantwortung und positionieren sich im Sinne der Betroffenen, wenn Diskriminierungen erfolgen. Etabliert haben sich die aktuellen Angebote, die unter Absprache mit den Jugendlichen fortlaufend weiterentwickelt werden. So wird zurzeit eruiert, ob ein Bedarf für junge Erwachsene besteht. Beobachtet wird eine Durchgängigkeit: Jugendliche aus der queeren Szene besuchen die allgemeinen Angebote des JHW, wie auch andersherum.
Es gibt eigene “queere” Angebote und (inklusive) Angebote für alle. Ziel ist es, Brücken zu schlagen und die Möglichkeiten aller zu erhöhen. Die allgemeinen Angebote werden auch von dem Personal des queeren Space begleitet, sodass die queeren Jugendlichen eine bekannte Vertrauensperson dabeihaben und somit ein leichter Übergang erfolgen kann. So haben an der Sommerfreizeit in Gerardmer drei Jugendliche aus dem Queer*Space teilgenommen. Einmal im Monat ist der Treff offen für queere und nicht-queere Jugendliche – alle können ihre Freund*innen mitbringen. Die Spaces sind von Beginn an gut besucht. Die Jugendlichen kommen aus den verschiedensten Kontexten und aus allen Stadtteilen, einzelne aus dem Landkreis. Manche kennen das JHW bereits, sind in anderen Treffs gewesen oder haben eine Einzelhilfe. Andere kommen über Freund*innen, andere Träger, die Beratungsstellen oder haben durch die Werbung (Homepage/Social media) von den Angeboten erfahren. Es kommen zwischen 5 und 12 Jugendliche pro Treffangebot.
Netzwerkarbeit
Das JHW arbeitet in der Arbeitsgruppe zum queeren Jugendzentrum mit. Es bestehen Kooperationen mit Fluss e.V. und Tritta, ebenso mit der Bunten Jugend, den Rosekids und TransAll. Weiter erfolgen Vermittlungen durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP), die Psychologischen Beratungsstellen und das AKI (Kommunaler Sozialer Dienst und Eingliederungshilfe). Auch über die anderen freien Träger (Forum Ambulante Hilfen) kommen Jugendliche, ebenfalls aus der OKJA. Es bestehen auch enge Kontakte zu Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und Jugendärzt*innen sowie zur KJP.
Blick in die Zukunft
2025 gab und gibt es die regelmäßigen wöchentlichen Space-Angebote, SpecialSpaces und eigene Xtra-Angebote, eine Übernachtung im Queer*Space und wie in 2024 das Sommerfest, die Sommerparty und die Ferienfreizeit. Im Herbst wird eine “queere” Hütte angeboten, zu der es bereits einige Anmeldungen gibt. Weiter gedacht werden soll an der Idee, mit queeren jungen Erwachsenen in den Treffs zu arbeiten (peer-Konzept). Dies konnte bisher noch nicht umgesetzt werden. Es werden auch zukünftig weitere Formate ausprobiert und sowohl exklusive queere als auch inklusive Angebote für Alle entwickelt.
Diskussion
Der Abschlussbericht des Forschungsprojekts hat in der Regenbogen-Community Diskussionen angestoßen, die hier fortlaufend dokumentiert werden:
Im Abschlussbericht wird auf Seite 32 festgehalten, dass weibliche Teilnehmerinnen mit 54,4 % mehr als doppelt so stark vertreten sind wie männliche Teilnehmer mit 21,5 %.
Eine differenzierte Auswertung nach cis-männlichen und trans-männlichen Jugendlichen wurde im Abschlussbericht nicht veröffentlicht. Schätzungen zufolge sind über 80 % von trans* Jugendlichen „assigned female at birth“ (AFAB).
Bei der Online-Umfrage durch die EH Freiburg gaben 21,1 % der Befragten an, trans zu sein. Aufgrund eines vermutlich sehr hohen Anteils trans-männlicher Teilnehmer liegt der Anteil cis-männlicher Teilnehmer an der Online-Umfrage schätzungsweise nur zwischen 1 % und 6 %. In der Zielgruppe sind cis-männliche Jugendliche jedoch mit fast 50 % vertreten. Da das Forschungsteam der EH Freiburg dazu bisher keine Daten veröffentlicht hat, stützen sich diese Angaben bislang auf Schätzungen.
Gemäß § 9 SGB VIII müssen die verschiedenen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie von transidenten, nicht-binären und intergeschlechtlichen jungen Menschen berücksichtigt werden. Aus oben dargelegten Gründen stellt sich die Frage, ob die bisherige Planung und Konzeption eines queeren Jugendzentrums in Freiburg auch die spezifischen Bedarfe und Lebensrealitäten von cis-männlichen Jugendlichen ausreichend einbezieht.
Abbildungen aus dem Abschlussbereicht (Seite 32):

Abbildung 4; 14-21 Jahre; „Wie beschreibst du selbst dein Geschlecht?“ (n=522); Mehrfachantworten möglich

Abbildung 5; 14-21 Jahre; „Bist du trans und/oder intergeschlechtlich?“ (n=517); Mehrfachantworten möglich
Laut Abschlussbericht (S. 7) hat eine Begleitgruppe – bestehend aus Fachkräften der Vereine FLUSS e.V. und Tritta* e.V. – maßgeblich beim Feldzugang unterstützt und eine erste Fassung der Ergebnisse in der Steuerungsgruppe diskutiert.
Im Personal der oben genannten Vereine ist die cis-männliche Perspektive unterrepräsentiert oder gar nicht vorhanden. Dies könnte die geringe Beteiligung cis-männlicher Jugendlicher an der Online-Umfrage erklären, etwa durch einen einseitigen Feldzugang oder eine unbewusste Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen.
Im Forschungsteam der EH Freiburg als auch bei den Redebeiträgen im Kinder- und Jugendausschuss des Freiburger Gemeinderats waren cis‑männliche Perspektiven ebenfalls unterrepräsentiert.
Der Begriff “queer” stammt aus dem Englischen und bedeutete ursprünglich „schräg“ oder „sonderbar“. Ab dem späten 19. Jahrhundert wurde er abwertend vor allem für schwule Männer und lesbische Frauen verwendet.
Ab den späten 1980er-Jahren eigneten sich Homosexuelle den Begriff “queer” als Selbstbezeichnung an und besetzten ihn als positiv. “Queer” diente dann zunächst als Oberbegriff für schwule, lesbische und bisexuelle Menschen. Der Gegenbegriff dazu war “straight”.
Im weiteren Verlauf schloss der Begriff “queer” immer mehr Personengruppen ein, die sich von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft abgrenzten. Der Begriff “queer” ist jedoch nicht genau definiert und wird heute in mehrfacher Hinsicht verwendet:
- Oberbegriff für alle Personengruppen, die nicht der Heteronormativität entsprechen
- Spezifische Bezeichnung für Personen, die sich nicht als LGBTI verstehen, aber dennoch als queer
- Kurzform für die Zustimmung zum Konzept der Queer-Theorie
Das Wort „queer“ und der Feminismus sind heute eng miteinander verbunden und haben sich gegenseitig beeinflusst, insbesondere im Rahmen des Queer‑Feminismus.
Beim Verein habs queer basel schreibt die Arbeitsgruppe Männerzeug:
“Schwule Männer sind im aktuellen feministischen Diskurs der Mehrheitsgesellschaft bestenfalls unter “queeren Menschen” mitgemeint. Darüber hinaus sind sie bis weit in die sogenannte progressive Gesellschaftspolitik hinein vor allem eines: verdächtig, aufgrund ihres Geschlechts an der “patriarchalen Dividende zu knabbern”. Sprich: von Privilegien zu profitieren, weil sie Männer sind. Das obwohl die Ausgrenzung schwuler Männer durch das Aberkennen eben ihrer Männlichkeit ein zentraler Bestandteil sowohl ihrer Unterdrückungserfahrung, als auch der hegomenalen Männlichkeit ist. Wie Umgehen mit diesem Widerspruch? Und welche weiteren Themen und Spannungsfelder beschäftigen spezifisch schwule Männer – in der Mehrheitsgesellchaft? In der queeren Community? Und wie adressieren wir diese im aktuellen feministischen Diskurs?”
Der Verein Tritta e.V. verwendet den Begriff „queer“ im Namen für eine Gruppe. Dabei wirkt es, als seien cis‑männliche Personen in dieser Gruppe nur eingeschränkt willkommen. Durch solch einen Sprachgebrauch verliert der Begriff „queer“ in Freiburg zunehmend seine Funktion als inklusiver Oberbegriff.
Vereine mit mangelhafter geschlechtlicher Vielfalt im Personal können nicht den umfassenden Anspruch erheben, die Interessen und Bedarfe der gesamten Regenbogen-Community zu vertreten.
Im Abschlussbericht wird auf Seite 96 (Kapitel 10.8.1 „Fehlende Angebote“) festgehalten, dass sich 74,3 % der Jugendlichen Informationsveranstaltungen und Workshops wünschen. In Freiburg existieren diesbezüglich bereits verschiedene Bildungsangebote, die sich sowohl an Jugendliche als auch an Fachkräfte richten.
Beispiele:
- Bildungsangebote durch das Team von FLUSS e.V.
- Fachtag: “Vielfalt leben, Jugendhilfe stärken: Queer im Fokus” – 09.05.2025
- Fachtag: “Queer” – 21.11.2024
Bei den genannten Bildungsangeboten ist bislang die cis‑männliche Perspektive häufig unterrepräsentiert oder fehlt gänzlich. Wenn alle geschlechtlichen Perspektiven – sowohl im Personal als auch bei den Referent:innen – stärker einbezogen werden, lässt sich die Akzeptanz von Bildungsangeboten zum Thema „Vielfalt“ steigern.
Der Verein Fluss e.V. kann keinen authentischen autobiografischen Ansatz für die Erörterung der cis-männlichen Perspektive in seiner Aufklärungs- und Bildungsarbeit gewährleisten, wenn das Team keine cis-männlichen Personen umfasst.
Der Aktionsplan “Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg 2025” (PDF-Download) hebt unter anderem die Bedeutung der geschlechtlichen Vielfalt in der Arbeitswelt hevor. Dabei könne das Land Baden-Württemberg als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion einnehmen. Ebenso könnten die Mitgliedsvereine des Queeren Netzwerks Baden-Württemberg durch eine stärkere geschlechtliche Diversität im eigenen Personal – etwa durch die Einstellung von mehr cis‑männlichen Personen – eine Vorreiterrolle einnehmen.
Auf dem Titelblatt des Abschlussberichts ist eine “Progress Pride Flag” von 2021 abgebildet. Im Bericht selbst fehlt eine Erläuterung, nach welchen Kriterien die Flaggenvariante aus dem Jahr 2021 ausgewählt wurde und nicht eine andere Variante.
Die Entscheidung für eine bestimmte “Progress Pride Flag” impliziert stets eine bewusste oder unbewusste Hierarchisierung: Welche Identitäten werden repräsentiert, welche bleiben unsichtbar?














Die zunehmende Zahl an Pride-Flaggen, die spezifische Farben und Symbole zur Repräsentation bestimmter Identitäten nutzen, markiert eine Abkehr von der ursprünglichen, universellen Regenbogenflagge. Während diese Entwicklung darauf abzielt, die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen zu erhöhen, birgt sie das Risiko, dass das Symbol weniger universell wiedererkennbar wird und ein Gefühl der Spaltung entstehen kann. Kritiker*innen argumentieren, dass das Hinzufügen spezifischer Streifen eine Hierarchie von Identitäten schafft, was im Gegensatz zur ursprünglichen Regenbogenflagge steht, die als allumfassendes Symbol für die gesamte Community konzipiert wurde.
Der Abschlussbericht betont die Vorteile einer Zentralisierung – etwa die Bündelung von Angeboten sowie die Bereitstellung von Räumen und Finanzmitteln. Dem stehen dezentrale, unabhängige und ehrenamtliche Strukturen gegenüber, die die Pluralität der Regenbogen-Community besser abbilden und sich in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Umbrüche als resilienter erweisen könnten.
Die Konzentration von Finanzmitteln und Entscheidungsmacht bei einem Träger:innenverein und dessen hauptamtlichen Strukturen kann bestehende ehrenamtliche Angebote in Abhängigkeit bringen oder verdrängen. Es können Spannungen entstehen, wenn Ehrenamtliche den Eindruck gewinnen, durch eine Professionalisierung und Kommerzialisierung übergangen zu werden.
Damit ein “Queeres Jugendzentrum” in Freiburg breite Akzeptanz in der Regenbogen-Community finden kann, sollte die Vorstandschaft des Träger:innenvereins und das Personal eines Jugendzentrums die gesamte Vielfalt der Geschlechter abbilden.
Das KI-Tool “Google NotebookLM” hat Debatten zu verschiedenen Fragestellungen erstellt:
