NS-Verfolgung von Homosexuellen

Stolperstein Karl Müller

Die NS-Verfolgung homosexueller Männer vollzog sich primär über die 1935 in Kraft getretene Verschärfung des Paragraphen 175 des Reichsstrafgesetzbuches (RStGB).

Im Gegensatz zur Version aus dem 19. Jahrhundert, die nach ständiger Rechtsprechung „beischlafähnliche Handlungen“ für eine Strafbarkeit voraussetzte, reichten nach dem Willen der NS-Gesetzgebung bereits „begehrliche Blicke“ für eine Strafverfolgung.

Die Zahl der Männer, welche wegen homosexueller Vergehen verurteilt wurden, stieg ab 1935 rapide. Häufig wurden sie nach Verbüßung der gegen sie verhängten Gefängnisstrafe, manchmal aber auch ohne dass sie gerichtlich verurteilt worden waren, von der Gestapo in Konzentrationslager verschleppt.

Im „Dritten Reich“ wurden über 100.000 Männer polizeilich erfasst (Rosa Listen), 50.000 Urteile ergingen aufgrund von §§ 175 und 175a RStGB. Insgesamt, so die Schätzung, dürften etwa 10.000 homosexuelle Männer in den NS-Konzentrationslagern inhaftiert worden sein, von denen etwa 53 % ums Leben kamen.


Opfer des § 175 in Südbaden 1933-1945

Informations- und Gedenkveranstaltung zur Forschungsarbeit von William Schäfer am 28.06.2010 im Theater Freiburg:

Gedenkveranstaltung „Schicksale männlicher Opfer des § 175 in Südbaden 1933-1945“ am 28. Juni 2010

William Schaefer studierte in den USA Germanistik und Geschichte, kam im Zuge seines Studiums 1967 an die Uni Freiburg und ist hier geblieben. Er wurde in Freiburg Lehrer für Englisch und Religion. Im Jahr 2000 begann er über die Nazi-Verfolgung Homosexueller in Südbaden zu forschen.

Interviews mit William Schäfer im Jahr 2010:

Interview mit William Schäfer bei uniFM, 2010
Schicksale männlicher Opfer des § 175 in Südbaden 1933-45
Die Geschichte des § 175 in Deutschland

[ZaS] “Der Nazi-Paragraph 175 galt bis 1969”

William Schaefer, US-Bürger, 71 Jahre alt, lebt seit 43 Jahren in Deutschland. Er studierte in den USA Germanistik und Geschichte, kam im Zuge seines Studiums an die Uni Freiburg, ist hier geblieben – und wurde in Freiburg Lehrer für Englisch und Religion. Vor zehn Jahren begann er über die Nazi- Verfolgung Homosexueller in Südbaden zu forschen.

Zeitung am Samstag: Was hat Sie veranlasst, die Schicksale homosexueller Männer in der Nazizeit zu recherchieren?

William Schaefer: Es gibt drei Gründe. Erstens weil mich das Thema interessiert. Zweitens weil die Nazis wollten, dass diese Menschen ausgelöscht werden, nicht nur physisch sondern auch aus dem Gedächtnis. Und das gönne ich denen nicht. Ich will diese Menschen aus der Vergessenheit herausholen und bekannt machen, was damals passiert ist. Drittens als Mahnung für die Menschen heute, was Diskriminierung bedeuten kann.

ZaS: Wenn Sie die Menschen vor dem Vergessen retten wollen, warum haben Sie die Personen in Ihrer Schrift dann in der Regel nicht mit vollem Namen genannt?

Schaefer: Das hat mit dem Datenschutz zu tun. Ich durfte nur forschen, weil ich unterschrieben hatte, dass ich meine Veröffentlichung anonymisieren werde. Ich konnte nur bei Männern, die bereits durch andere Veröffentlichungen als homosexuell bekannt waren, den vollen Namen nennen. Ich bin außerdem nicht fürs Zwangs-Outen. Um die Schicksale aufzuzeigen, sind die Namen nicht unbedingt wesentlich.

ZaS: Mit welcher Begründung wurde Homosexualität in der Nazizeit verfolgt?

Schaefer: Die Nazis haben immer geschrieben, sie bekämpfen die Homosexualität. Das regt mich auf! Das ist doch ein abstrakter Begriff. Die Nazis haben Homosexuelle, also Menschen aus ideologischen Gründen bekämpft. Ziel der Nazis war, dass sich die Arier vermehren. Von einer Familie wurden mindestens vier Kinder erwartet. Und in der Regel zeugen homosexuelle Männer keine Kinder.

ZaS: Unabhängig von diesem „ari-schen“ Gedanken gibt es ja aber bis heute Vorbehalte gegenüber Homosexuellen.

Schaefer: Natürlich. Das ist nichts, was die Nazis erfunden haben. Da sind die drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, die alle homosexuellenfeindlich sind. Die Nazis haben dieses Thema aus ideologischen Gründen aufgegriffen und den Paragraphen, mit dem Homosexuelle strafverfolgt werden konnten, erheblich verschärft.

ZaS: Konnte man damals überhaupt offen zur eigenen Homosexualität stehen?

Schaefer: Nur wenige konnten das. Einer von ihnen war der Künstler Markus Behmer. Er hatte ganz offen zugegeben, dass er sich seit seiner Jugend homosexuell betätigte. Er sagte damals – als Antwort auf den Vorwurf der Nazis, Homosexualität sei widernatürliche Unzucht – Sex mit einer Frau sei für ihn widernatürlich. Seine Ge-fängnisstrafe fiel dennoch vergleichsweise erstaunlich milde aus. Viele andere kamen in den KZs um.

ZaS: Sinti und Roma erheben den Vorwurf, dass ihnen als Nazi-Verfolgte nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wird, wie den Juden. Sehen das Homosexuelle ähnlich?

Schaefer: Die Sinti und Roma haben Recht. Sie haben eine halbe Millionen Menschen durch die Nazis verloren. Die Juden sechs Millionen. Ich mag das nicht, mit Zahlen zu argumentieren. Jedes Schicksal ist gleich schlimm. Die Zahl macht das nicht aus. In den KZs waren außerdem massenhaft Menschen aus den besetzten Ländern, aus Frankreich, Belgien und Holland, aus Dänemark und Polen. Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschafter und Zeugen Jehovas wurden verfolgt.

ZaS: Aber von den Homosexuellen als Verfolgte hört man am wenigsten. Wie kommt das?

Schaefer: Die Verfolgung all dieser eben genannten Gruppen hörte nach 1945 auf. Deshalb konnte dann darüber gesprochen werden. Doch der Paragraph 175 in der NS-Fassung ist bis 1969 unverändert in Kraft geblieben. Das Kriegsende hatte nicht dazu geführt, dass die Gesetze oder die Strafen verschwanden. Die Justiz hat weitergemacht, als wäre nichts gewesen.

ZaS: Wie viele Verurteilungen von Homosexuellen gab es denn nach Kriegsende?

Schaefer: Mehr als vor 1945. In der BRD gab es bis 1969 etwa 60 000 Urteile wegen homosexueller Handlungen. Auch nach dem Krieg wurde noch nach homosexuellen Männern gefahndet, die ihre von den Nazis verhängte Strafe noch nicht verbüßt hatten.

ZaS: Wurden die damals Verhafteten später rehabilitiert?

Schaefer: Die Urteile aus der NS-Zeit wurden erst am 17. Mai 2002 aufgehoben – mehr als 50 Jahre nach Kriegsende. Die Urteile nach 1945 bis heute nicht.

ZaS: Zu Ihrem Vortrag wird auch einer der ältesten Überlebenden der Naziverfolgung kommen.

Schaefer: Ja, Rudolf Brazda ist mit 97 Jahren, soweit ich weiß, der letzte überlebende Rosa-Winkel- Träger. Er war drei Jahre lang im KZ Buchenwald und überlebte nur, weil ihn jemand beim Todesmarsch versteckte. Ein ganz erstaunlicher Mensch. Er ist so optimistisch, körperlich zwar sehr gebrechlich, aber im Kopf ganz klar. Und er strahlt solche Lebensfreude aus, ohne jede Verbitterung.

  • William Schaefer, Schicksale männlicher Opfer des § 175 StGB in Südbaden 1933 – 1945, Sonderdruck des Stadtarchivs aus der Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins „Schau-ins-Land“, 2009
  • Vortrag von William Schaefer, Montag, 28. Juni, 20 Uhr, Winterer-Foyer Theater Freiburg. Informations- und Gedenkveranstaltung der Stadt Freiburg, des Vereins Rosa Hilfe und des Breisgau-Geschichtsvereins. 

Quelle: www.zas-freiburg.de

Auf der Grundlage der Forschungsarbeit von William Schäfer wurden in Freiburg Stolpersteine für NS-verfolgte homosexuelle Männer verlegt.

KARL MÜLLER, Kaiser-Josef-Str. 197

* 23.11.1886 Bohlingen

† 17.5.1942 Freiburg

Heute gibt es kaum Lebensspuren von Karl Müller – Informationen in den Kirchenbüchern von Bohlingen, eine Personalakte vom Gefängnis Freiburg, Einträge in den Registern für Vorverfahren zu den 2 Verhaftungen, Einträge in den Adressbüchern der Stadt Freiburg und Informationen über Gregor Müller aus der Freiburger Einwohnerkartei.

Karl Müller wurde am 23. Januar 1886 in Bohlingen geboren. Er war das 7. von 11 Kindern der Eheleute Johann Müller und Karolina geb. Riedmann, beide aus Bohlingen. Karl war römisch-katholisch, ledig, von Beruf Sattlermeister und betrieb zur Zeit seiner Verhaftung 1942 ein Lederwarengeschäft in der Adolf-Hitler-Strasse 197 (heute Kaiser-Joseph-Straße 197) in Freiburg. Obwohl es keine Meldekarte von Karl Müller im Stadtarchiv mehr gibt, zog er laut Adressbüchern spätestens 1924 nach Freiburg und wohnte über dem Ledergeschäft. Gregor Müller, Karls Onkel, auch aus Bohlingen, kam 1884 nach Freiburg und betrieb bis zu seinem Tod 1929 das Lederwarengeschäft Gregor Müller. Seine Witwe Wilhelmine erbte dann das Geschäft. Sie starb 1934. Das Geschäft ging dann an Karl und Anton Müller, die beide in dem Haus wohnten.

Karl Müller kam am 12. März 1942 wegen Verführung zur gleichgeschlechtlichen Unzucht in Untersuchungshaft im Freiburger Gefängnis. Er war schon wegen Unzucht mit Männern vorbestraft. Eine Verurteilung ist belegt. Am 18. Januar 1938 wurde er wegen § 175 vom Landgericht Freiburg zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Leider sind zu dieser Verurteilung keine Einzelheiten bekannt, da die Prozessakte nicht mehr existiert. In Untersuchungshaft 1942 stellte Müller einen Antrag auf „freiwillige“ Entmannung. Am 17. Mai 1942 erhängte er sich in der Zelle. Ein Zitat aus dem Leichenschaubericht und Gutachten: „Karl Müller ist eines gewaltsamen Todes durch Erhängen gestorben. Es liegt einwandfrei Selbstmord vor. Die Motive dafür sind in der Furcht vor der zu erwartenden Strafe wegen Sittlichkeitsverbrechens zu suchen. Er hat gestern bei einer Untersuchung durch mich noch angegeben, dass er außer an Hermann G. noch einer ganzen Anzahl anderer Burschen sich vergangen habe.“

Zum Gedenken an Karl Müller liegt vor dem Kaufhof in der Kaiser-Josef-Straße in Freiburg ein Stolperstein.

(Erzbischöfliches Archiv Freiburg, Kirchenbücher aus Bohlingen; StAF Bestand G 701/2, Nr. 535; ebd Bestand F 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren1935-1948; StadtAF Adressbücher, Meldekarte für Gregor und Wilhelmine Müller.)

Text: William Schäfer

Quelle:

https://www.der-liebe-wegen.org/?profil=karl-mueller


FRITZ HAUSER, Zunftstr. 11

* 4.4.1892 Freiburg

† 14.4.1944 im KZ Lublin-Majdanek

Fritz Hauser wurde am 4. April 1892 in Freiburg geboren. Er war das fünfte von 8 Kindern der Eheleute Wilhelm Hauser und seiner Frau Anna, geb. Fischer. Der Vater war von Beruf Diener und starb 1911, seine Frau starb 1931. Beide waren römisch-katholisch. Nach Fritzens Geburt zog die Familie mehrmals um, wohnte aber von 1903 bis 1912 in der Zunftstrasse 11.

Fritz besuchte die Volksschule und arbeitete danach als Hilfsarbeiter. Während des Ersten Weltkrieges war er vom März bis November 1915 in das Infanterie Regiment 109 eingezogen, wurde aber dann als „dauernd feld- und garnisonsdienstunfähig“ entlassen. Nach dem Krieg arbeitete er bei Herder, ging dann 4 Jahre nach Zürich und kam wieder nach Freiburg, wo er wieder als Hilfsarbeiter tätig war. Er war ledig. Als Beruf wurde Magaziner angegeben. Ab 1931 war er Anhänger der „Internationalen Vereinigung Ernster Biblforscher“.

Hauser wurde mehrfach gerichtlich bestraft: 1919 wegen Unterschlagung zu 14 Tagen Gefängnis, 1924 wegen widernatürlicher Unzucht zu 4 Wochen Gefängnis, 1926 aus dem gleichen Grund zu einem halben und 1934 wieder wegen homosexueller Handlungen zu einem Jahr Gefängnis. Am 5. Januar 1940 wurde er vom Sondergericht Mannheim wegen Vergehens nach § 2 Absatz 2 des Heimtückegesetzes zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte abfällige Bemerkungen über Hitler und die nationalsozialistische Regierung gemacht, über sie geschimpft und gemeckert. Hauser neigte zu staatsfeindlicher Kritik. Das Gericht in Mannheim schätzte ihn als „wenig intelligent“ ein.

Am 18. Juli 1940 wurde er vom Landgericht Freiburg wegen Verbrechens gegen § 175 zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Da die Prozessakte inzwischen vernichtet wurde, sind keine Einzelheiten bekannt. Vermutlich verbüßte er seine Gefängnisstrafe, wurde dann aber nicht entlassen. Er war kurz im Gefängnis in Mannheim bevor er ins KZ kam. Am 17. August 1942 wurde er mit der Nummer 2257 im Konzentrationslager Flossenbürg registriert und in die Haftkategorie „VH § 175“, also als homosexueller Vorbeugehäftling, eingeordnet. In Flossenbürg war er als „gottgläubig“ registriert. Am 29. Oktober 1942 transportierte man ihn mit 270 anderen Häftlingen, darunter zahlreichen deutschen Vorbeugehäftlingen, in das Konzentrationslager Dachau. Dort kam er zwei Tage später an und erhielt die Häftlingsnummer 38123. Vom 03. Januar bis 11. Januar 1944 wurde er mit einem so genannten „Krankentransport“ in das Konzentrationslager Lublin-Majdanek im heutigen Polen gebracht. Dort wurde er am 14. April 1944 ermordet.

Für Fritz Hauser liegt in der Zunftstraße 11 ein Stolperstein.

(Quellen: StadtAF, Meldekarte der Familie Wilhelm Hauser; ebd. Einwohnerbücher der Stadt Freiburg, Einträge 1892 bis 1916; BArch Berlin Bestand R 3001, Signatur 12 19 23; StAF Bestand 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren 1935-1948, Abt. 4; Archiv der Gedenkstätte Flossenbürg; Archiv der Gedenkstätte Dachau; Internationaler Suchdienst, Bad Arolsen.)

Text: William Schäfer

Quelle:

https://www.der-liebe-wegen.org/?profil=fritz-friedrich-hauser


ERICH MÄDER, Jahnstr. 10

* 19.11.1904 Freiburg

† 17.5.1941 im KZ Ravensbrück

Erich Mäder wurde am 19. November 1904 in Freiburg geboren. Er wohnte bei seinen Eltern in der Jahnstraße 6 (heute Jahnstraße 10). Obwohl von zu Hause aus römisch-katholisch, war er im KZ mit der Konfession „gottgläubig“* registriert. Sein Vater Bernhard Mäder war Friseurmeister und hatte sein Geschäft im eigenen Haus. Seine Mutter Emma war eine geborene Falk. Sie starb 1939. Erich hatte eine jüngere Schwester. Vom Beruf war er Kaufmann. In der NS-Zeit war er Jungbannführer bei der Hitler-Jugend in Freiburg.

Wegen homosexuellen „Verbrechens“ wurde Erich Mäder am 16. Mai 1940 vom Landgericht Freiburg lediglich zu einer geringen Gefängnisstrafe von 10 Monaten abzüglich 5 Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Da die Prozessakte in der Zwischenzeit vernichtet wurde, fehlen genauere Informationen. Vermutlich war es sein Verhängnis, dass er in der Hitler-Jugend arbeitete. Die Nationalsozialisten verfolgten besonders hartnäckig jede „widernatürliche Verfehlung“, die sich in ihren Reihen abspielte. Und die Nazis hatten eine panische Angst davor, dass ein Mann viele Jugendliche zur Homosexualität „verführen“ könnte. Bei jenem geringen Urteil kann seine Straftat nicht schwerwiegend gewesen sein. Trotzdem wurde er nach Verbüßung seiner Strafe nicht entlassen, sondern am 13. Februar 1941 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 23830. Am 8. April 1941 wurde Mäder in das Männerlager des KZ Ravensbrück transportiert, wo er keine 6 Wochen später, am 17. Mai 1941, 36-jährig ermordet wurde. Die Sterbeurkunde gibt als Ursache „Herzschlag“’ an. Da die Todesursachen in den Konzentrationslagern meistens reine Fantasie waren, ist das eher unwahrscheinlich. Zwischen seiner Verurteilung und seinem Tod vergingen lediglich ein Jahr und ein Tag.

Zum Gedenken an Erich Mäder liegt in der Jahnstr. 10 ein Stolperstein.

* Die Bezeichnung „gottgläubig“ wurde im Nationalsozialismus als ein Begriff für ein religiöses Bekenntnis benutzt. Ab Ende 1936 konnte man die Religionsbezeichnung „gottgläubig“ auf den Melde- und Personalbögen verwenden. So konnten Menschen, die aus der Kirche ausgetreten waren, bezeugen, dass sie sich zum Religiösen und zum Glauben an Gott bekannten, ohne Mitglied in einer anerkannten Kirche zu sein. Die NSDAP erwartete von ihren Mitgliedern, dass sie sich zu Gott bekennen. Menschen, die der Naziideologie nahe standen, wurden aber zum Kirchenaustritt gedrängt. Zahlreiche Nationalsozialisten traten aus der Kirche aus und bezeichneten sich als „gottgläubig“.

(Archiv der Gedenkstätte Dachau; StAF Nachlassakte für Emma Mäder; ebd. Bestand 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren 1935-1948, Abt. 4; Archiv der Gedenkstätte Ravensbrück; Internationaler Suchdienst, Bad Arolsen)

Text: William Schäfer

Quelle:

https://www.der-liebe-wegen.org/?profil=erich-maeder


HANS WINTERHALTER, Fürstenbergstr. 7

* 16.7.1907 Hinterzarten

† 2.12.1942 KZ Sachsenhausen

Hans Winterhalter wurde am 16. Juli 1907 in Hinterzarten geboren. Er war römisch-katholisch wie sein Vater, der auch aus Hinterzarten stammte. Dieser arbeitete bei der Bahn und starb Anfang der 50er Jahre. Seine Mutter kam aus Saarbrücken, war evangelisch und zog nach der Scheidung wieder nach Saarbrücken zurück. Sie starb dort. Hans hatte einen älteren Bruder. Die beiden Brüder besuchten die Grundschule in Hinterzarten.

Hans lebte in Frankfurt am Main, arbeitete dort als Kellner und Masseur und wurde wegen „Sittlichkeitsverbrechen“ aufgrund § 175 Strafgesetzbuch zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr 9 Monaten verurteilt. Er kam am 10. August 1937 in das Lager Walchum im Emsland.

Nach seiner Entlassung lebte er in Freiburg in der Fürstenbergstraße 7 und arbeitete als Heilgehilfe. Im Jahre 1939 stand er in Freiburg wegen „Unzucht zwischen Männern“ vor Gericht. Er wurde am 30. November 1939 vom Landgericht Freiburg zu einer Strafe von 2 Jahren Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. Leider ist die Gerichtsakte zu diesem Prozess vernichtet worden. Daher fehlen wichtige Informationen. Vom Gefängnis Freiburg aus kam Winterhalter zuerst ins Zuchthaus Bruchsal und am 31. Januar 1940 in das Emsland-Strafgefangenenlager Börgermoor. Am 18. Februar 1941 brachte man ihn erkrankt in das für die Emslandlager zuständige Hauptlazarett nach Papenburg und am 21. März 1941 zurück in das Lager Börgermoor. In ein weiteres Strafgefangenenlager, Delmenhorst, wurde er am 27. März 1941 verlegt. Vom Zuchthaus Vechta kam er im Juni 1941 ins Zuchthaus Münster. Ins Konzentrationslager Flossenbürg wurde er am 10. November 1941 transportiert, wo er in der Haftkategorie „§ VH“ (= § 175 Vorbeugehäftling) geführt wurde. Schließlich transportierte man ihn am 24. Oktober 1942 ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort starb er am 2. Dezember 1942 um 20.15 Uhr. Die Todesurkunde behauptet, wie bei fast allen Todesfällen in den Konzentrationslagern, natürliche Ursachen. Angeblich starb der 35-Jährige an Herz- und Kreislaufproblemen. Es ist aber bekannt, dass die meisten Homosexuellen, die in Sachsenhausen den Tod fanden, ermordet wurden.

Die NS Personenbeschreiburg von Hans Winterhalter aus dem Jahr 1940 ist überliefert: 1,70m groß, Gestalt mittel, braune Augen und braunes Haar, Gesicht und Kinn oval, Nase, Mund und Ohren gewöhnlich, Stirn hoch, Zähne gut, eine Narbe an der rechten Wange.

Zum Gedenken an Hans Winterhalter liegt in der Fürstenbergstraße 7 ein Stolperstein.

(Information über die Familie Winterhalter von Herrn Weber, Hinterzarten; Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager, Pappenburg; StAF Bestand 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren 1935-1948, Abt. 4; Archiv der Gedenkstätte Flossenbürg; Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen; Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Bestand PR.BR.REP.35H, Band 3/18, Blatt 242, Sterbebuchnummer 1031 (Totenschein); Internationaler Suchdienst, Bad Arolsen.)

Text: William Schäfer

Quelle:

https://www.der-liebe-wegen.org/?profil=hans-winterhalter



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Zeitschrift Breisgau-Geschichtsverein „Schau-ins-Land“

Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln, sogenannten Stolpersteinen, soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Zeit) verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Der erste Stolperstein in Freiburg wurde am 22. Oktober 2002 verlegt.

Links

Fritz Hauser, NS-Verfolgter | queere-geschichten-freiburg.de
Verfolgung homosexueller Männer im NS | queere-geschichten-freiburg.de